Chess & History: Artificial Intelligence in Chess

Schach & Geschichte: Künstliche Intelligenz im Schachspiel

Die Künstliche Intelligenz, kurz KI, ist ein schnell wachsender Technologiebereich, der das Potenzial hat, viele Aspekte unseres Lebens zu verändern. Sie unterstützt uns bei Problemen, für die normalerweise eine menschliche Intelligenz erforderlich wäre, wie beispielsweise bei der Informationsfindung, bei Lernprozessen, Entscheidungsfindungen und vor allem der Sprachverarbeitung. Dabei sind die Auswirkungen der KI bereits beträchtlich. Übersetzungen gehen fließend von der Hand, die Navigation im Straßenverkehr wird immer effizienter und mit einer einfachen Frage an ein KI-System erhalten wir mit hoher Zuverlässigkeit umfangreiche Antworten – und das zu allen Themen.

Auch das Schachspiel wird heute wesentlich von künstlicher Intelligenz beeinfluss, sei es zum Lernen oder zum Spielen von Schach. Unser Verständnis von Schach wurde mit den Fortschritten bei Algorithmen und Heuristiken revolutioniert und prägt seitdem die Analyse von Spielen aber auch die Vorhersagen von Spielzügen.

Doch der Einsatz von Computern und KI hat im Schach eine längere Geschichte. Nachfolgend möchte ich euch gerne eine Übersicht der Ereignisse geben – vom ersten „Schachcomputer“ bis hin zu heutigen Technologien.

 

Die frühen Stadien der Künstlichen Intelligenz im Schach

Auch wenn es zur damaligen Zeit noch keine Kenntnisse zu künstlicher Intelligenz gab, so war es doch der erste Schachroboter, der Berühmtheit als Automat erlangte. Im Jahr 1769 konstruierte Wolfang von Kempelen den Schachtürken. Einen vermeintlicher Roboter, der in der Lage war, überdurchschnittlich gut zu spielen und die meisten Spieler zu bezwingen. Auch wenn Kempelen seine Erfindung stets als mechanischen Trick bezeichnete, so verblüffte er doch viele Menschen und wurde international berühmt. Später stellte sich heraus, dass Menschen den Roboter bedient hatten.

Der Schachtürke von Wolfgang von Kempelen

Der Schachtürke von Wolfgang von Kempelen
(Kupferstich von Racknitz - 1789)

Auch wenn der Schachtürke über keine künstliche Intelligenz verfügte, so zeigte sich doch, dass die Vorstellung, eine Maschine könnten dem Menschen überlegen sein, die Menschen schon früh faszinierte. Konkreter wurden die Bemühungen zur Entwicklung einer künstlichen Intelligenz, als die ersten Informatiker Algorithmen entwickelten, die zumindest rudimentär das menschliche Spielen abbilden konnten.

So schreib Konrad Zuse Mitte der 1940er Jahre das erste Schachprogramm. Alan Turing und David Champernowne entwarfen 1948 den „Turochamp“, den ersten Algorithmus, der Schachfiguren einen Wert zuordnete und anhand aller möglicher Stellungen den bestmöglichen Schachzug ermitteln sollte. Selbst moderne Schachprogramme arbeiten heute noch nach diesem Prinzip. Auf die Veröffentlichung der ersten Schachalgorithmen folgten weitere nach. 1949 entwickelte Claude Shannon den Minimax-Algorithmus, 1961 schrieb Dietrich Prinz das erste Computerprogramm, das Schachaufgaben lösen konnte und Mitte der 1950er Jahre implementierte John von Neumann Schach in ein spieltheoretisches Konzept, das auf einem Zwei-Personen-Nullsummenspiel basierte.

In den 1960er Jahren zeichnete sich langsam ab, dass Computer zukünftig in das Lage sein werden, gegen den Menschen anzutreten. 1967 war das von Richard Greenblatt entwickelte „Mac Hack“ das erste Computerprogramm, das an einem Turnier teilnahm und eine Wertung von 1239 erzielte. Um die Entwicklung der Schachprogramme allen Schachspielern zugänglich zu machen, vertrieb Peter Jennings ab 1976 das Erste Schachprogramm für den Heimcomputer und nannte es „Microchess“. Obwohl die Sonderregeln der Rochade, En Passant und die Bauernumwandlung nicht implementiert waren, verkaufte es sich mit hohem Erfolg. Den Durchbruch erlangte schließlich das Schachprogramm „Belle“ von den beiden Entwicklern Ken Thompson und Joe Condon, als dieses 1983 an der amerikanischen Schachmeisterschaft teilnahm und eine Wertung von 2363 sowie den Titel des Nationalen Meisters erlangte. „Belle“ war die führende Schachsoftware der 1980er Jahre und zählt als direkter Vorläufer der künstlichen Intelligenz, wie wir sie heute kennen.

 

Moderne Künstliche Intelligenzen im Schach

Einen Wendepunkt in der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz im Schach stellten die Spiele des Computers Deep Blue gegen den damaligen Weltmeister Garry Kasparov dar. Deep Blue gewann unter Turnierbedingungen und erlangte weltweit Aufmerksamkeit als Künstliche Intelligenz, die den Menschen im Schach bezwang.

Die Entwicklung von Deep Blue begann bereits in den 1980er Jahren, als Forscher bei IBM mit der Arbeit an einem schachspielenden Computer begannen. Die erste Version des Programms trug den Namen „ChipTest“ und war in der Lage, eine vereinfachte Version von Schach zu spielen. Mit der Zeit optimierten die Forscher das Programm, und es wurde immer ausgefeilter und leistungsfähiger.

Garry Kasparov - Schachweltmeister in den Jahren 1985 bis 2000

Garry Kasparov - Schachweltmeister in den Jahren 1985 bis 2000
(Copyright 2007, S.M.S.I., Inc. - Owen Williams, The Kasparov Agency.,
CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Im Jahr 1996 spielte Deep Blue die erste Partie gegen Kasparow, aber der Computer unterlag ihm. Kasparow gewann drei Partien, erlangte zwei Remis und verlor nur einmal. Das IBM-Team lernte aus seinen Fehlern und machte sich an die Arbeit, das Programm weiter zu verbessern. Sie fügten leistungsfähigere Hardware hinzu, verbesserten die Suchalgorithmen und nahmen weitere Optimierungen an der Software vor.

1997 trat Deep Blue in einem Rückkampf erneut gegen Kasparow an. Das Spiel erlangte großes Medieninteresse und wurde weltweit mit Spannung erwartet. Deep Blue konnte zu diesem Zeitpunkt 200 Millionen Stellungen pro Sekunde berechnen und lieferte ein deutlich besseres Spiel ab als im Jahr zuvor. Kasparow gewann die erste Partie, gab in der zweiten jedoch überraschend in einer scheinbaren Remis-Stellung auf. Die dritte Partie endete unentschieden, die vierte gewann Deep Blue. Nach weiteren Remis im fünften und sechsten Spiel stand der Sieger schließlich fest. Deep Blue bezwang den Weltmeister Garry Kasparow mit 3,5 zu 2,5 Punkten.

Deep Blue, ein Computer ähnlich wie dieser besiegte im Mai 1997 den Schachweltmeister Garry Kasparow

Deep Blue, ein Computer ähnlich wie dieser besiegte
im Mai 1997 den Schachweltmeister Garry Kasparow
(Copyright: James the photographer,
CC BY 2.0, via Wikimedia Commons)

Der Sieg von Deep Blue über Kasparov war ein bedeutender Moment in der Geschichte der Künstlichen Intelligenz und der Schachgeschichte. Computer waren nun in der Lage, die besten menschlichen Spieler der Welt zu besiegen und einen völlig neue Sichtweise auf das Schachspielen zu ermöglichen. Durch die Leistungsfähigkeit der Künstlichen Intelligenz wurde gar eine Revolution im Einsatz bei anderen menschlichen Tätigkeiten prophezeit – eine Behauptung, die sich als wahr herausstellen sollte und heute unser Leben wesentlich mitbestimmt.

Seit dem Match zwischen Deep Blue und Kasparov hat sich die Künstliche Intelligenz im Bereich des Schachs rasant weiterentwickelt. Insbesondere durch das Internet und des Maschinellen Lernens gibt es heute viele Intelligenzen, gegen die gespielt aber die auch zur Analyse des eigenen Spielstiles verwendet werden können.

 

Bekannte Künstliche Intelligenzen im Schach:

Stockfish

Stockfish ist eine freie und quelloffene Schachengine, die für ihre Stärke und Genauigkeit bekannt ist. Sie wird weithin als eine der stärksten Schachengines der Welt angesehen und wird von vielen Spielern und Analysten verwendet, um Partien zu studieren und sich auf Turniere vorzubereiten.

AlphaZero

AlphaZero ist eine KI, die von DeepMind entwickelt wurde, dem Unternehmen, das auch die berühmte Go spielende KI AlphaGo entwickelt hat. AlphaZero ist insofern einzigartig, als sie das Schachspiel von Grund auf erlernt, ohne jegliches Vorwissen oder menschlichen Input. Sie hat bemerkenswerte Ergebnisse erzielt und einige der stärksten Schachengines der Welt besiegt.

Leela Chess Zero

Leela Chess Zero ist eine weitere KI, die "Deep Learning" nutzt, um ihr Spiel zu verbessern. Sie wird mit einem Verfahren namens "Reinforcement Learning" trainiert, bei dem sie Partien gegen sich selbst spielt und aus ihren Fehlern lernt. Sie hat beeindruckende Ergebnisse erzielt und mehrere Computerschachmeisterschaften gewonnen.

Houdini

Houdini ist eine kommerzielle Schachengine, die für ihr taktisches und aggressives Spiel bekannt ist. Sie hat mehrere Computerschach-Meisterschaften gewonnen und wird von vielen Spitzenspielern und Trainern verwendet, um Partien zu analysieren und Eröffnungen zu studieren.

Komodo

Komodo ist eine weitere leistungsstarke Schachengine, die in professionellen Turnieren weit verbreitet ist. Sie hat mehrere Computerschach-Meisterschaften gewonnen und ist für ihr strategisches und positionelles Spiel bekannt.

 

Die Zukunft der künstlichen Intelligenz im Schach

Die Entwicklung von Schachprogrammen und von Künstlichen Intelligenzen hat das Schachspielen und das Lernen des Schachspielens in den letzten 30 Jahren wesentlich geprägt und von Grund auf verändert. Heute können Spieler die Schach-Regeln in kürzester Zeit mit digitalen Übungen lernen, in Sekundenschnelle mit anderen Spielern auf der ganzen Welt zusammenspielen und ihre Spielweise von leistungsstarken Algorithmen analysieren lassen. Mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz werden viele Schachspieler von Morgen die Schachweltmeister von gestern besiegen können. Doch die modernen Intelligenzen selbst, werden dem Menschen zunehmend unbesiegbar erscheinen.

 

Ich freue mich, dass ich dir eine kleine Übersicht über die Schachgeschichte der Künstlichen Intelligenz geben konnte. Solltest du noch weitere Fragen haben, so schreibe mir gerne über mein Kontaktformular. Neben dem Computer ist das Schachspielen auf einem richtigen Schachbrett noch immer stets populär. Solltest du Interesse an Schachfiguren oder Schachbrettern in Turnierformat haben, so schau gerne einmal in meinem Sortiment vorbei.

Ich wünsche dir viel Spaß am Spiel, viel Erfolg und zügige Fortschritte beim Lernen.

 

Bis bald.

Stefan

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